Persönlichkeiten

Giuseppe Bertone

28 Jan 2008

Geboren : 04. Juli 1914
Gestorben : 26. Februar 1997

„Seit ich lebe, suche ich ein Paar Schuhe“, soll Nuccio Bertone ganz spontan zu Ferruccio Lamborghini gesagt haben, als er auf dem Turiner Automobilsalon im Oktober 1965 das noch unkarossierte Fahrgestell des späteren Miura sieht.
Lamborghini ist nach seiner schlechten Erfahrung mit Scaglione und dessen Entwurf des ersten Lamborghini sehr zurückhaltend geworden, was den Umgang mit Karosseriedesignern angeht. Zu Nuccio Bertone aber fasst er sofort Vertrauen und so beginnt eine kongeniale Partnerschaft, die der Welt in den folgenden 15 Jahren die fortschrittlichsten und aufregendsten Sportwagen bescheren wird. Lamborghini hätte sich nicht so rasch und gründlich seines Resimmees als Produzent robuste Traktoren  entledigt, hätte ihn Blechschneider Bertone nicht so umgehend mit seinen attraktiven Karosserien versorgt. Auf den Miura von 1966 und den Marzal von 1967 folgt nach Espada (1968), Jarama und Urraco (beide 1970) schließlich 1971 der unglaubliche Countach, mit dem Lamborghini in den Herzen der Autoliebhaber unsterblich wird.

Andererseits: Ohne einen so aufgeschlossenen und risikofreudigen Kunden wie Lamborghini hätte Bertone wohl
nicht die Chance gehabt, sich so viel Ruhm als Stardesigner zu erwerben, dass er heute noch ganz gut davon zehren kann.
Carozzeria Bertone ist die älteste noch existierende italienische Karosseriefirma. Angefangen hat alles 1921, als Giovanni Bertone das Fahrgestell eines SPA 9000 Sport mit einem zweisitigen, offenen Aufbau versieht.
Nach dem Krieg übernimmt Sohn Giuseppe „Nuccio“ Bertone das Geschäft. Der Großauftrag, für Alfa Romeo die Giulietta Sprint zu produzieren, erlaubt Ende der 50er Jahre den Bau einer modernen Karosseriefabrik in Grugliasco am Stadtrand von Turin. Bedeutende Bertone-Schöpfungen neben den diversen Lamborghini: NSU Prinz Coupé (1958), BMW 3200 CS (1961), Alfa Rome Giulia GT (1963), BMW 2500 (1969), BMW 520 und Fiat x1/9 (beide 1972), Innocenti-Mini (1974), Audi 50/VW Polo (1974/75), Fiat Ritom (1978), Citroen BX (1983), Citroen XM (1989)...

Bertone entwirft und konstruiert diese Karosserien; Kleinserien wie die von ihm entworfenen Lamborghini (mit Ausnahme von Jarama, Countach und Jalpa) oder den Fiat X1/9 und das Opel Kadett Cabrio kann er selbst produzieren.

Was den Grandseigneur Nuccio Bertone auszeichnet, ist sein Gespür für junge, talentierte Zeichner. In den 50er Jahren entwickelt sich der Luftfahrt-Ingenieur Franco Scaglione unter Bertones Anleitung zum einflussreichen Stylisten. 1960 stellt Bertone den jungen Kunstmaler Giorgetto Giugiaro als Chefdesigner ein.
Auf ihn folgt 1966 der nervöse Jüngling Marcello Gandini; er entwirft die Lamborghini der kommenden Jahre, mit denen Bertone und Lamborghini Weltruhm erlangen.

Scaglione, Giugiaro, Gandini – jeder der drei macht sich nach seinen Lehrjahren bei Bertone selbständig.
Giugiaro wird mit seiner eigenen Firma Italdesign zu einem der einflussreichsten Industriedesigner der 70er und 80er Jahre. Gandini schnappt seinem einstigen Lehrmeister mittlerweile die schönsten Aufträge weg: nach dem Lamborghini Diablo auch noch den „kleinen“ Lambo von 1992.

Bertones bislang letzter Lamborghini-Entwurf ist die Minivan-Studie „Genesis“ von 1988.
Wichtigste Kunden seiner Karosseriefabrik bei Turin und seines Designcenters in Caprie sind heute General Motors, Volvo, Citroen, Daihatsu. Designstudien von Sportwagen hat Bertone in jüngster Vergangenheit folglich auf Chevrolet-(„Nivola“ von 1990) oder Lotus-(„Emotion“ von 1991) Basis verwirklicht.
Wann wird er wieder auf so ein schönes Paar Schuhe stoßen wie damals 1965 in Turin?